21. Dezember 2021

Mit BEMU-Technik in die Zukunft: auch auf der Strecke Münster — Sendenhorst

Innovativ, klimafreundlich, zukunftsweisend: Auf den Strecken Harsewinkel — Gütersloh — Verl und Münster — Sendenhorst wird der NWL neue Maßstäbe setzen — und schon in wenigen Jahren Züge aufs Gleis bringen, die mit modernster Antriebstechnologie gängige Standards weit hinter sich lassen. Teil 2

Rückblick: Von den ersten Schritten zum Status Quo

Der vorangegangene Bericht beleuchtete die lange Historie und Entwicklungsgeschichte batterieelektrischer Triebwagen und stellte die wesentlichen drei auf den Schienen in Deutschland eingesetzten Fahrzeugtypen dar. Als echte Dauerläufer taten diese jeweils bis zu fünf Jahrzehnte ihren Dienst auf der Schiene — und das recht zuverlässig. Die Vorgänger moderner Fahrzeuge hatten aber einen Nachteil: Ihr Einsatzgebiet war festgelegt, begründet durch die erforderliche Ladeinfrastruktur, geeignete Werkstätten und entsprechend ausgebildete Werkstattpersonale. An diesem Punkt setzen die Neuentwicklungen an — und machen Quantensprünge in Sachen Technik und Alltagstauglichkeit.

Neuanfang: Ausgeklügelte Technik für höchste Ansprüche

Bundesweit sind fast 40 Prozent des Streckennetzes aller Schienenstrecken nicht elektrifiziert. Im Personenverkehr werden auf den nicht oder nur teilweise elektrifizierten Strecken deshalb Dieseltriebwagen eingesetzt. Hier gilt es praktikable Lösungen zu finden, den CO2-Austausch dennoch zu reduzieren. Nicht auf jeder Eisenbahnstrecke lohnt sich der kosten- und wartungsintensive Aufbau von Fahrleitungsanlagen zur Versorgung von elektrischen Lokomotiven und Triebwagen. Dennoch entstand im Rahmen der Entwicklung von emissionsarmen Fahrzeugen der Wille, auch abseits von elektrifizierten Strecken einen vor Ort emissionsfreien Betrieb zu ermöglichen. Diese Entwicklungen — die weltweit in verschiedenen Märkten erfolgten — führten zu ausgeklügelten technischen Konzepten: unter anderem der Nutzung von Wasserstoff und Brennstoffzellen, aber auch der Verwendung von Akkus, die ortsfest oder/und während einer Fahrt unter Oberleitungen aufgeladen werden. Und das immer basierend auf der Nutzung von elektrischen Fahrmotoren, da diese nicht nur robust sind, sondern auch leise und vor Ort emissionsfrei für Schub sorgen.

Wie bei den Straßenfahrzeugen gibt es auch bei der Eisenbahn verschiedene Möglichkeiten für den Antrieb: den Dieselmotor, den Elektromotor und die Hybridtechnik, also das Nutzen beider Motorentypen in einem Fahrzeug. Aber dieses technische Prinzip erfordert zwei Systeme in einem Fahrzeug, die Platz benötigen und zu höheren Investitions- und Instandhaltungskosten führen. Daher dürfte die Hybridtechnik nur eine technologisch Brückenlösung darstellen, das Ziel besteht grundsätzlich in der Nutzung nur einer Antriebsart in einem Fahrzeug.

Neben dem Antrieb spielt der Energiespeicher eine große Rolle: Bei Dieselfahrzeugen ist dies der Kraftstofftank, bei batterieelektrischen Zügen sind es Batterien, bei Hybridfahrzeugen müssen sowohl Kraftstofftanks als auch Batterien mitgeführt werden. Gibt es für batterieelektrischen Züge keine Möglichkeit zum kurzfristigen Aufladen während des Einsatzes, kommt für einen emissionsfreien Einsatz auch die Verwendung von Wasserstoff in Verbindung mit einer Brennstoffzelle und einem Elektromotor in Frage. Jedoch ist damit wieder der Aufbau einer ortsfesten Infrastruktur verbunden, Voraussetzung für den Betrieb ist der regelmäßige Boxenstopp an der Wasserstoff-Tankstelle.

Fahrzeugmarkt: BEMU-Technik macht deutschlandweit Schule

Durch die gestiegenen Ansprüche an klimaschonende, umweltfreundliche und lärmreduzierte Fahrzeuge haben alle großen Fahrzeughersteller in den vergangenen Jahren begonnen, batterie- und teilweise auch wasserstoffbetriebene Fahrzeuge zu entwickeln. Aktuell haben die für den Schienenpersonennahverkehr Verantwortlichen in verschiedenen Bundesländern rund 220 BEMU-Triebwagen zur Auslieferung bis Ende 2025 bestellt. Die Akkus werden unter vorhandener Oberleitung auf der Strecke während der Fahrt oder im Bahnhof während der Wendezeit so weit aufgeladen, dass sie die vor ihnen liegende Strecke emissionsfrei problemlos befahren können. Damit entfällt der Bedarf für zusätzliche ortsfeste Infrastrukturen, wie z. B. Ladeeinrichtungen.

Vorgesehener Einsatz

Vorbereitet wird vom NWL derzeit eine Ausschreibung einer größeren Anzahl von BEMU-Triebwagen. Damit sollen zwölf nicht-elektrifizierte und aktuell teils mit Dieseltriebwagen befahrene Strecken im Münsterland und in Ostwestfalen mit batteriebetriebenen Triebwagen befahren werden, darunter auch die zur Reaktivierung anstehenden Strecken Münster — Sendenhorst und Harsewinkel — Gütersloh — Verl. Die Akkus werden während der Wendezeiten aufgeladen, können aber auch an geeigneten, mit einer Fahrleitung versehenen Strecken während der Fahrt aufgeladen werden. Somit bestehen bereits überwiegend Ladevorrichtungen in den geplanten Einsatzgebieten, weswegen die BEMU-Triebwagen hier anderen Antriebsarten wie etwa Wasserstoff überlegen sind.

Im Rahmen einer Markterkundung wurde ausgelotet, welche Fahrzeuge für den Einsatz auf diesen Strecken geeignet und welche Voraussetzungen zur Versorgung der Fahrzeuge mit Strom erfüllt sein müssen. Die Fahrzeuge sollen dabei sowohl wirtschaftlich sein, womit ein möglichst geringer Aufwand an Infrastrukturneubau und -ausbau einhergeht, als auch lokal emissionsfrei, energiesparend und geräuscharm betrieben werden. Diese Ausschreibung beinhaltet nur die Beschaffung der Fahrzeuge, der Betrieb auf den betroffenen Strecken im Netz Nördliches Westfalen wird parallel dazu demnächst gemeinsam durch den NWL, den Verkehrsverbund Rhein-Ruhr und weitere Beteiligte ausgeschrieben.

Batteriebetriebene Triebwagen haben in den letzten Jahren eine Renaissance erlebt, da sie nicht nur klimaschonend sind und bestehende Lademöglichkeiten nutzen können, sondern auch entlang der Strecken keine Abgas- und — im Vergleich zu Dieselfahrzeugen — deutlich weniger Lärmemissionen verursachen. Deswegen ersetzen auch immer mehr Regionen in Deutschland auf nicht-elektrifizierten Strecken Diesel- durch BEMU-Triebwagen. Auch der NWL sieht die Technologie als optimal für den Einsatz auf den nicht-elektrifizierten Nebenstrecken in Westfalen, sowohl auf den bestehenden Linien als auch auf zu reaktivierenden Strecken. Schließlich sind batteriebetriebene Fahrzeuge für den Betrieb, die Reisenden und die Bevölkerung rund um die Bahnstrecken gleichermaßen von Vorteil.